Die weltweiten Aktienindizes mussten im ersten Halbjahr 2022 erheblich an Federn lassen. So sank der DAX um 19%, der S&P 500 um 20,5%, der Dow Jones um 15,3 und die NASDAQ sogar um 29,5%. Ebenso groß waren die Verluste auf der Anleiheseite. Hier hat der 10-jährige Bundesanleihe um fast 14% nachgegeben. Auslöser waren und sind die drei Tiefdruckgebiete Inflation, Ukraine-Krieg und Lieferkettenschwierigkeiten insbesondere hervorgebracht durch Chinas Null-Covid Politik. Dies baute sich zu einem Orkantief auf, aus dem die Notenbanken nun versuchen herauszukommen. Mittel der Wahl sind deutliche Zinsanhebungen rund um den Globus angeführt von der FED, um die Konsumentennachfrage zu reduzieren und somit die Inflation auf mittlere Sicht wieder zu kontrollieren. Eine weitere Gefahr stellen aber auch die Zinsanhebungen der Notenbanken selbst dar. Kommen sie zu spät oder wird der Zins zu stark angehoben, kann dies sehr leicht zu einer Rezession führen, die dann nicht nur zu einer Kaufkraftverlust der Konsumenten führt, sondern auch kein Wachstum auf der Angebotsseite mehr zuläßt.
Aber ist die Situation wirklich so schlecht wie es auf den ersten Blick aussieht? Ist es das Ende der Welt auf das wir zusteuern?
Zunächst sollte man sich von der kalendarischen Perspektive auf Aktienindizes verabschieden, denn Märkte halten sich nicht an Kalenderzeitpunkte. Versucht man dies, wird man schnell feststellen, dass es zwischen 1957 (S&P 500 Einführung) und heute 13 Zeiträume gegeben hat, in denen der amerikanischen S&P 500 um mehr als 20 % je Halbjahr gefallen ist.
6 Months Ending Index Loss
- 2/28/2009 -42.7%
- 11/30/2008 -36.0%
- 1/31/2009 -34.8%
- 9/30/1974 -32.4%
- 3/31/2009 -31.6%
- 10/31/2008 -30.1%
- 12/31/2008 -29.4%
- 9/30/2002 -28.9%
- 8/31/1974 -25.0%
- 6/30/1962 -23.5%
- 6/30/1970 -21.0%
- 11/30/1987 -20.6%
- 12/31/1974 -20.3%
Source: Adviser Investments
Danach kommt man auf 13 Verlustzeiträume und somit auf durchschnittlich alle 5 Jahre einen Rückgang um mehr als 20% innerhalb von 6 Monaten. Ungewöhnlich ja aber kein völlig außergewöhnliches Phänomen. Ein weiterer Punkt sticht hervor: 6 der Verlustzeiträume haben sich seit 2008 ereignet, dennoch hat der S&P im Gesamtzeitraum seit Januar 2008 um 175% an Wert zugewonnen.
Blickt man auf die Einzelunternehmensebene so hat man in der bisherigen Berichtsaison überwiegend positive Meldungen und Ausblicke gehört. Das wird wohl nicht so bleiben. US Banken beginnen bereits die Ergebnisschätzungen für das laufende und kommende Jahr zurückzunehmen, so dass sich das aktuelle KGV nur wenig bewegen dürfte. Dennoch bleibt die Frage, was ist bereits in den aktuellen Kursen eingepreist, wenn z.B. einige deutsche Automobilhersteller bei einem KGV von 5 handeln und eine Dividendenrendite von 7-9% haben? Bei aller Vorsicht und im Raum stehenden Unwägbarkeiten sollte man langsam als langfristig orientierter Investor beginnen, sich qualitativ gute Unternehmen zu sehr günstigen Preisen ins Depot zu legen oder die Einstandspreise durch gezielte Nachkäufe zu verbilligen.
Oder wie sagt es ein Sprichwort: es gibt nur zwei gute Zeitpunkte, um gute Aktien zu kaufen: der eine war vor 10 Jahren, der andere ist heute!